Untitled Pocket Knife Project
Irgendwann fließt Blut. Ich betrachte meinen Daumen und den Daumennagel, der so weit umgeknickt ist, dass er sich vorn vom Nagelbett gelöst und eine schmerzende Wunde hinterlassen hat. In Form eines schönen, roten Halbkreises quillt es unter dem Nagel hervor.
Ich ärgere mich, dass ich dieses Bastelprojekt unbedingt im Park umsetzen musste. Nur der Fotos wegen. Wer hätte aber auch ahnen können, dass ich beim Hantieren mit der Zange, dem einzigen erwähnenswerten Arbeitsschritt, so unglücklich abrutschen würde?
Ich ärgere mich, weil ich nun mit meiner rechten Hand nichts anfassen kann, ohne Flecken zu machen. Jedenfalls muss ich warten, bis das Blut getrocknet ist.
Und dann, mit einer vollen Minute Verzögerung, wird mir plötzlich schwummrig. Noch nie in meinem Leben ist mir das passiert, jedenfalls nicht bei einer solchen Kleinigkeit. Ich merke, wie mir langsam schwarz vor Augen wird, kann gerade noch mein Werkzeug zurück in den Rucksack räumen und mich auf eine niedrige Steinmauer sinken lassen. Falls ich umkippen sollte, dürfte das Verletzungsrisiko gering sein. Bestimmt würde mich auch bald jemand finden.
Doch kaum, dass ich sitze, erholt sich mein Kreislauf. Kurz darauf bin ich wieder völlig fit.
Rückblickend kann ich nur dankbar sein, dass dieses unvorhergesehenen Erlebnis meine kleine Bastelanleitung etwas aufwertet. Die beschränkt sich nämlich auf die Feststellung, dass sich 58 Millimeter kleine Taschenmesser von Victorinox – ebenso wie die 91 Millimeter großen Modelle – durch einen Tausch der Griffschalen um einen Kugelschreiber erweitern lassen.
So wird aus dem verbreiteten Classic SD für wenig Geld und mit minimalem Aufwand ein Signature. Ein Rambler lässt sich zu einem Manager upgraden, ein Jetsetter zu einem klingenlosen, schreibenden Unikat, das es in dieser Form nicht zu kaufen gibt. Auch die Modelle Escort und Classic (ohne Schraubendreher) lassen sich mit dem Upgrade versehen, weil nur die Position der Nieten entscheidend ist, mit denen die Griffschalen auf den Platinen fixiert werden. Diese Position ist immer gleich.
Selbstredend funktioniert der Umbau nur mit Griffschalen aus Kunststoff, von Victorinox als Cellidor bezeichnet, und nicht mit den Aluminiumschalen der Alox-Reihe.
In meinem Fall waren die Griffschalen eines alten Signatures so wackelig, dass es Zeit für einen Austausch wurde. Bei der Bestellung fiel mir auf, dass der ursprünglich verbaute und länst eingetrocknete Kugelschreiber, der zum Schreiben komplett herausgezogen wurde, nicht mehr erhältlich ist. In allen neuen Modellen gibt es einen Schieber, mit dem nur die Spitze des Stifts herausgeschoben wird. Das restliche Taschenmesser dient als Griff. Ist die Mine leer, kann sie vorne herausgezogen und ersetzt werden.
Im ersten Schritt des Umbaus werden die alten Griffschalen entfernt. Sind sie ohnehin schon lose oder in so schlechtem Zustand, dass sie entsorgt werden können, ist das ganz einfach. Zuerst werden die Schalenwerkzeuge entnommen, üblicherweise also Pinzette und Zahnstocher. In deren Öffnungen lässt sich nun ein flacher Metallgegenstand ansetzen und so weit unter die Schalen schieben, bis diese sich mit sanftem Hebeln lösen lassen. Perfekt geeignet ist die kleine Klinge eines 91-Millimeter-Taschenmessers.
Möchte man die bestehenden Griffschalen wiederverwenden, empfiehlt sich ein Trick von Felix Immler. Er weicht das komplette Messer in 70 Grad warmem Wasser ein, um das Plastik biegsamer zu machen. So bricht beim Hebeln möglichst wenig Kunststoff aus den Aussparungen rund um die Nietköpfe ab. Die alten Griffschalen lassen sich ein weiteres Mal fest anbringen.
Die Herausforderung ist für mich, genug Druck aufzubauen, um die neuen Schalen fest und spaltfrei zu fixieren. Das Hilfsmittel der Wahl wäre ein Schraubstock, mit einem Tuch ausgekleidet, um das Plastik vor Kratzern zu schützen. Einmal fest angedrückt sitzen die Griffschalen fest auf den Nietköpfen.
Im Volkspark Prenzlauer Berg muss ich mir anders behelfen. Mit einer einfachen Haushaltszange lässt sich genug Kraft aufbringen. Ein Nylongurt, einmal um das Messer gewickelt, sorgt für mehr Grip und schützt die neuen Griffschalen weitgehend vor Kratzern. Gebrauchsspuren lassen sich langfristig sowieso nicht verhindern und leichte Kratzer können durch Polieren wieder entfernt werden.
Wie es im Sonnenlicht funkelt, sieht mein mindestens 23 Jahre altes Taschenmesser wieder aus wie neu.